Doppelresidenz auch gegen den Willen eines Elternteils anordenbar - als Umgangsregelung


BGH Karlsruhe
Aktenzeichen: XII ZB 601/15 vom 28.02.2017
Veröffentlicht in FamRZ 2017/07

 

Tenor / Inhalt der Entscheidung

a)  Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells  führt,  wird  vom  Gesetz  nicht  ausgeschlossen.  Auch  die  Ablehnung  des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im
konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.
b)  Die  auf  ein  paritätisches  Wechselmodell  gerichtete  Umgangsregelung setzt  eine  bestehende  Kommunikations-  und  Kooperationsfähigkeit  der  Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 15. Juni 2016 - XII ZB 419/15 - FamRZ  2016,  1439). Dem  Kindeswohl  entspricht  es  daher  nicht,  ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfä-
higkeit erst herbeizuführen.
c)  Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
d)  Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 419/15 - FamRZ 2016, 1439).
BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15 -
OLG Nürnberg
AG Schwabach

 

Kommentar von doppelresidenz.org

Der BGH hat ein Machtwort gesprochen. Die Doppelresidenz ist auch gegen den Willen eines Elternteils anordenbar und es handelt sich um eine Umgangsregelung. Die bis dahin vorherschende Meinung der Rechtsprechung, die zum Teil sogar davon ausging, dass eine Doppelresidenz aufgrund der bestehenden Gesetzeslage nicht anordenbar wäre, war damit vom Tisch.

Was bei der Entscheidung des BGH noch fehlt ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, was im Falle von Streit der Eltern passieren soll, also eigentlich immer dann, wenn sich Eltern vor Gericht treffen. Auch in solchen Konstellationen ist die Doppelresidenz in sehr vielen Fällen der Einzelresidenz überlegen.

Zukünftig werden die Gerichte also einen Vergleich anstellen müssen, welche Betreuungsform dem Kindeswohl am Besten entspricht. Sollten sich keine erheblichen Unterschiede zugunsten des Residenzmodells ergeben, so ist im Zweifelsfall der Doppelresidenz aufgrund der Grundrechtspositionen der Eltern der Vorzug zu geben (Rz8).

 



Zuletzt geändert am 04.09.2017 um 09:02

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