Leben ist Veränderung

Wandel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen

 
 

Im letzten Jahrhundert orientierte sich in bürgerlichen Kreisen die Betreuung der Kinder an tradierten Geschlechterrollen: Die Mutter war zu Hause und kümmerte sich um die Kinder, der Vater erwirtschaftete das Haushaltseinkommen für die Familie und hatte entsprechend wenig Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Allerdings war er auch in Zeiten der Abwesenheit über seine Verbindung mit der Mutter im Familienalltag präsent.

Nach einer Trennung oder Scheidung wurden die Kinder in der Regel dem Haushalt der Mutter zugeordnet, die fortan als „alleinerziehend“ galt, während der Vater zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde und ein Umgangsrecht mit seinen Kindern außerhalb des Alltags, üblicherweise an jedem zweiten Wochenende sowie anteilig an Feiertagen und in den Ferien, erhielt. Dieses „Residenzmodell“ ist noch heute im deutschen Familienrecht verankert.

Dieses Modell führt jedoch häufig zur Entfremdung zwischen Vater und Kind. Zwischen 20–40 % der Kinder verlieren nach einer Trennung den Kontakt und die positive Bindung zu einem Elternteil, meist dem Vater, mit gravierenden gesundheitlichen und psychischen Folgen, die betroffene Kinder oftmals ein Leben lang und generationenübergreifend (transgenerational) prägen. Die traditionelle Rollenverteilung in der Familie hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Die „neuen Väter“ übernahmen zunehmend Aufgaben in der Familie, welche bisher nur Müttern zugeschrieben wurden. Mütter engagierten sich im Zuge der Emanzipationsbewegung zunehmend im Erwerbsleben, nicht nur in Minijob und Teilzeit, sondern auch in Vollzeit und in Führungspositionen.

Vater mit Tochter beim kochen

 

Die Aufgaben in Beruf und Familie verteilten sich zunehmend gleichberechtigt und gleichverantwortlich in Richtung einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“. Diese Entwicklung ließ nun auch Raum, um die bisherigen Regelungen für getrennt lebende, ihre Kinder getrennt erziehende Eltern zu überdenken.

Im Jahr 2008 wurde im Zuge der Unterhaltsrechtsreform die bislang oftmals lebenslange Versorgung der Frau durch den Mann aufgehoben – das Prinzip der nachehelichen Eigenverantwortung wurde aufgrund der geänderten Rollen von Männern und Frauen deutlich stärker betont. Beim Kindesunterhalt blieb man jedoch beim veralteten Prinzip „einer betreut, einer zahlt“. Auch im Zuge der Sorgerechtsreform 2013, mit der Väter nichtehelicher Kinder erstmals auch gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht erlangen konnten, wurde hieran, ebenso wie an den Regelungen zum Umgang, nichts verändert. 

 

Grafik Entwicklung der gerichtlichen Umgangsverfahren

 

Die Regelungen zur Ausübung der elterlichen Sorge und zur Betreuung der Kinder bzw. zum Umgangsrecht wurden den gesellschaftlichen Veränderungen nicht konsequent angepasst. Noch immer erfolgt nach Trennung und Scheidung eine „Rolle rückwärts“ in alte Rollenmuster.

Immer mehr Eltern kümmern sich inzwischen nicht nur vor, sondern auch nach einer Trennung gemeinsam um ihre Kinder. Väter wollen in die Alltagsbetreuung ihrer Kinder selbstverständlich eingebunden bleiben und nicht nur am Wochenende ihre Elternverantwortung wahrnehmen. Dies zeigt sich unter anderem auch in der zunehmenden Zahl gerichtlicher Umgangsverfahren – von 22.727 im Jahr
1997 auf zuletzt 54.876 im Jahr 2016 (s. o.). Selbst in strittigen Fällen, welche vor dem Familiengericht landen, wird Vätern neben der Wochenendbetreuung immer öfter auch die Betreuung der Kinder an Wochentagen ermöglicht.

Eine aktuelle Studie (2017) des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Bundesfamilienministeriums gab erstmals einen repräsentativen Überblick darüber, wie getrennt lebende Eltern
ihre Kinder betreuen. 77 % der Befragten erklärten, dass Kinder grundsätzlich auch nach einer Trennung gemeinsam betreut und erzogen werden sollten. 22 % der sich trennenden Eltern praktizieren bereits heute die Doppelresidenz. Das sind deutlich mehr, als man bislang angenommen hatte.

Bemerkenswert, gerade im Vergleich zu den weiteren Betreuungsmodellen, sind die Erfahrungen, die diese Eltern mit der Doppelresidenz gemacht haben: 93 % dieser Eltern berichten über gute (39 %) oder sehr gute (54 %) Erfahrungen. Die Zufriedenheit der Eltern, die die Doppelresidenz leben, ist damit deutlich höher als bei Eltern im Residenzmodell.

In Deutschland kam in Anbetracht der veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erstmals die Frage auf, welche Betreuungsform nach einer Trennung dem „Kindeswohl“ am besten entspricht. Die bisherigen Regelungen orientierten sich wie ausgeführt vorwiegend an tradierten Rollenmustern und den Bedürfnissen der Eltern. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Betreuungsmodelle auf Kinder? Die Bedürfnisse der Kinder rückten damit stärker in den Blick. Aktuell wird sehr intensiv über die Betreuung von Kindern in der Doppelresidenz, auch Wechselmodell genannt, diskutiert.

 

 
 

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