Politischer Neustart mit Handbremse – Frage der Doppelresidenz erneut vertagt



Deutschland hat eine neue Regierung, der Koalitionsvertrag steht und auch die Doppelresidenz (Wechselmodell) findet darin ihren Platz. Was auf den ersten Blick gut klingt, ist aber vor allem eines: eine Vertagung dieser wichtigen Frage, auf die man sich offensichtlich im Koalitionsvertrag nicht einigen konnte.

„Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen.“

So die offizielle Formulierung, auf die die Koalitionäre sich geeinigt haben. Konkret bedeutet dies aber nur, dass man, wie auch immer, die Doppelresidenz in der Beratung, nicht aber im Gesetz stärken will. Ein guter Schritt, aber nur der halbe Weg.

Während der Koalitionsvertrag an anderen Stellen sehr konkret wird und spezifische Maßnahmen vorsieht, bleibt hier also die Aufgabe für den Gesetzgeber noch offen. Es ist zu vermuten, dass man sich in den Koalitionsvereinbarungen nicht auf die Frage „Leitbild Doppelresidenz“ ja oder nein einigen konnte. Die Diskussion um diese Frage dürfte sich also durch die jetzige Legislaturperiode weiterziehen, wobei die Fronten recht klar sind.

SPD und Grüne lehnen ein Leitbild Doppelresidenz ab. Argumentiert wird dies damit, dass man eine Wahlfreiheit erhalten möchte und nicht alle Eltern zur Doppelresidenz zwingen kann. Nur hat auch niemand einen Zwang für alle Eltern gefordert, eine Kindeswohlprüfung war ebenfalls in allen Leitbild-Vorschlägen berücksichtigt. SPD und Grünen fehlen die echten Argumente, insofern versteifen sie sich weiterhin auf die längst widerlegten Vorurteile. Und wenn man sich das Argument der Wahlfreiheit einmal genau betrachtet, muss man festhalten, dass es diese bisher nicht gibt und das Residenzmodell letztlich bereits Leitbild ist.

Die FDP hingegen hat einen klaren 10-Punkte-Plan für ein zeitgemäßes Familienrecht mit dem Leitbild der Doppelresidenz und der Umsetzung der einstimmig angenommenen Resolution 2079(2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Wie hier letztlich der Kompromiss aussehen wird, auf den man sich einigt, wird spannend werden. Die Erwartung an die FDP, welche mit Marco Buschmann auch das für diese Frage relevante Justizministerium besetzt, sind in dieser Frage jedenfalls hoch.

Schaut man weiter in den Koalitionsvertrag, dann findet sich dort auch folgende Passage:

„Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen. Wir wollen im Unterhaltsrecht die Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das Existenzminimum des Kindes zu gefährden.“

Dies sind positive Signale in Richtung von mehr Partnerschaftlichkeit, die zu begrüßen sind. Vielleicht ist dies auch ein erster Schritt hin zu einer gesetzgeberischen Verankerung gemeinsamer Elternschaft, welche sich Eltern schon seit Jahrzehnten wünschen.

Spannend wird es werden, wie die dringend notwendige Familienrechtsreform tatsächlich umgesetzt wird und wann hierfür erste Gesetzesvorschläge auf den Tisch kommen. Wer Partnerschaftlichkeit, gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung und Gleichberechtigung in seinen Koalitionsvertrag schreibt und dies ernst nimmt, kann sich nicht dagegen aussprechen, Eltern auch nach einer Trennung gleichberechtigt und auf Augenhöhe zu behandeln und ein Leitbild der Doppelresidenz zu verankern.

Abschließend noch ein kurzes Update zu unterer Petition für ein zeitgemäßes Familienrecht. Rund 17.000 Mitzeichnende konnten wir gewinnen und haben diese Unterschriften im November 2018 dem Deutschen Bundestag übergeben. Drei Jahre später ist darüber noch immer nicht entschieden. Im Dezember 2021 hieß es in einer Zwischenmitteilung des Petitionsausschusses: „Die Eingabe konnte leider noch nicht abschließend behandelt werden“.

Man könnte sich jetzt ärgern, dass dieses Bürgervotum auch nach über 3 Jahren noch immer nicht vom Parlament behandelt wurde. Sehen wir es aber vielleicht einmal positiv. Die Petition ist nicht von der bisherigen Regierung abgewickelt worden. Unser Votum und unsere von zahlreichen Fachkräften unterstützte Forderung hat den Weg ins neue Parlament geschafft und wird damit auch in den nun hoffentlich ernsthaft stattfindenden Diskussionsprozess einfließen.


Zuletzt geändert am 04.01.2022 um 15:17

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